Alles, was uns ausmacht



Alles, was uns ausmacht



Natürlich zu bleiben – das ist ein Wunsch, der in den Köpfen wächst wie das Grün nach einem kräftigen Regen. Schon allein, weil es gut tut; aber auch, weil sich die Gesellschaft wieder zunehmend mit der Umwelt beschäftigt. Dafür braucht es nicht viel: Man muss nur offen sein und die eigenen Lebensumstände achtsam reflektieren. Doch egal, worüber wir dabei nachdenken – am Ende landen wir immer beim Wasser. Weil es alles ist, was uns ausmacht. Grund und Schicksal unseres Daseins. Die Substanz des Lebens.

Lasst uns auf eine Reise gehen! Denn: Sich mit Wasser zu beschäftigen, ist ein wundervolles, vielschichtiges Unterfangen. Schnell geraten wir dabei in einen positiven Strudel der Erkenntnis. Schon durch bloßes Betrachten (etwa von Wellen) entspringt in uns eine Quelle der Inspiration, schlängelt sich beim Nachdenken übers Nass durch Landschaften des Erstaunens und strömt im Verlauf der inneren Auseinandersetzung als Fluss des Wissens in ein Meer aus Demut vor unserer Existenz.

Dort angekommen, ausgebreitet, offen für das Wesentliche – können unsere Gedanken sich im Sonnenlicht reflektieren und langsam aufsteigen wie ein leichter Dunst, um als Wolke von oben auf die Welt zu blicken. Und vielleicht kommt unser Bewusstsein dann als erfrischender Regen zurück zum Boden – mit dem festen Willen, etwas Gutes für sich und seine Umwelt zu tun. Veränderung beginnt im Kopf. Von kreisenden Gedanken gelangen wir über den Kreislauf des Lebens zum Wasserkreislauf – und zurück zur eigenen Natürlichkeit. Eine Reise, deren Ausgangspunkt unser Körper ist.

Wir sind Wasser – und ohne sind wir nichts

Der Mensch besteht zu über 70 Prozent aus Wasser. Eine profane Sache, nicht wahr? Aber ohne dem könnten wir einfach nicht existieren. In 80 Lebensjahren trinkt jeder von uns etwa 55.000 Liter. Dazu nehmen wir mit so ziemlich allem, was wir essen, ebenfalls Feuchtigkeit auf. Der Flüssigkeitsanteil eines Apfels beispielsweise beträgt 85, der einer Gurke sogar 98 Prozent. Aber Zahlen verschwinden in unseren Köpfen so schnell wie eine Pfütze in der Wüste. Viel spannender ist, was das Wasser mit uns, in uns, durch uns macht. Denn als universelles Lösungsmittel transportiert Kollege Aqua sämtliche Stoffe durch den Körper, in ihn hinein und aus ihm hinaus: Sauerstoff, Nahrung, Mineralien, Stoffwechselprodukte, Hormone, Gifte – einfach alles.

Es ist einfach überall

Und nicht nur in uns, sondern auch auf unserem Planeten ist es das Transportmittel Nummer Eins. Flüsse fungieren als Adern der Erde; tragen, verschlingen, bringen Dinge hin und her – gleichwohl nicht aus sich selbst heraus. Denn die Bewegung des Wassers wird von der Sonne bestimmt – dem Herz am Himmel. Sie heizt es auf, lässt es verdunsten, dann in luftiger Form und Windeseile unglaubliche Entfernungen zurücklegen, um schließlich wieder unsere Gewässer zu speisen. Dieses sogenannte Wetter, auf das wir gerne schimpfen – all seine Phänomene wie kühlende Winde, Wolken in zauberhaften Formen, der Segen von Regen und Regenbögen –, es wird täglich aus Wasser erschaffen, seinem grundlegenden Medium.

Medium Nummer Eins

Denn das einzige Molekül, welches auf unserer Erde in allen drei Aggegatzuständen vorkommt, ist – als Flüssigkeit – auch die mit der höchsten Wärmekapazität. Bedeutet: Wasser kann außergewöhnlich gut mit Wärme umgehen; sie aufnehmen, transportieren und abgeben. In seiner Beschaffenheit hat das sogenannte Dipolmolekül dazu unglaubliche Kräfte. Wissenschaftler beschreiben sie mit Fachbegriffen wie Kapillareffekt, Oberflächenspannung oder Dichteanomalie. Vereinfacht darf man sagen: Das Nass ist einfach unglaublich agil – und macht agil. Es bewegt und verändert sich ständig, passt sich an die Umgebung an, gestaltet sie aber auch. Und weil es einfach überall ist, können wir die Spuren seines ständigen Weges auch überall erblicken: Jeder runde Stein wurde vom Wasser glattgeschliffen, jede Schlucht vom ihm in den Stein gegraben. Als Gletscher hat es die Landschaften ganzer Kontinente geprägt, durch seine Sprengkraft beim Gefrieren riesige Gebirge zerklüftet und – im kleinen – dafür gesorgt, dass sich ein grünes Band um den Planeten spannt. Denn ohne Wasser, wäre bekanntermaßen kein Leben entstanden.

Lebenselixier

Es gibt nur wenige Bedingungen für Leben. Um so entscheidender sind sie. Und Wasser ist ein absolut entscheidender Faktor. Als Basis und Medium für biochemische Prozesse, konnte die Photosynthese nur mithilfe dieser zauberhaften Verbindung entstehen. Und sie ist wiederum Voraussetzung für unseren eigenen Stoffwechsel, für unsere Existenz. Weil das magische Element (bzw. Molekül) in so vielen Prozessen eine Rolle spielt, so aufnahmefähig und wandelbar ist, gibt es auch nahezu unendliche Arten von Wasser. Kein Scherz! Denn fast nie liegt es in völlig reiner Form vor. So gut wie immer ist das flüssige Wunder mit anderen Dingen verbunden; tauscht sich aus, verbindet und verändert die Welt. Alles fließt.

Das magische Element

Natürlich haben die Menschen diese Bedeutung schon sehr früh erkannt. Nicht umsonst bildet der Stoff des Lebens ein zentrales Element vieler Mythologien, Philosophien und Religionen. In fast allen Kulturen wurden Quellen als Heiligtümer verehrt. Sie sind Metaphern für die Annahme verborgener Mächte. Und jene Götter wiederum bestimmen in Religionen den besonderen Umgang mit Wasser. Denken wir an die rituellen Gebetswaschungen oder an Taufe und Weihwasser. Schauen wir mit Erstaunen auf dieses feuchte Etwas, welches einen grundlegenden Baustein in der altgriechischen Vier-Elemente-Lehre bildet – und auch in ihrer taoistischen Entsprechung der Fünf Wandlungsphasen. Selbst heutzutage ist das feuchte Wunder noch Gegenstand vieler esoterischer Ideen, hat seitdem aber vor allem unsere Kultur geprägt.

Die Kultur des Wassers

Wasser ist für uns Basis von Erzählungen: Das Mittelmeer war Bühne für die Mythen der griechischen Helden, zum Beispiel in den Irrfahrten des Odysseus. Der Atlantik dagegen ist im Anblick von Columbus Zeuge einer weltbewegenden Überfahrt geworden: der Entdeckung Amerikas. Unsere Geschichte ist voll von Wasser – und irgendwann fingen wir sogar an, mit ihm Geschichte zu schreiben. So basiert die Industrialisierung maßgeblich auf dem geschickten Umgang mit jenem Medium und seinen verblüffenden Eigenschaften. Bei der Dampfmaschine verwandelt es Hitze in Bewegung. Und im Kraftwerk tut es nicht nur das, sondern reguliert obendrein den Fluss der Wärme. Seine Bestandteile (Wasserstoff und Sauerstoff) dienen Raketen als Treibstoff. In der Brennstoffzelle fungieren sie als Speicher von Energie. Ferner ist Wasser Basiswert des Kilogramms und Gegenstand einer ganzen Wissenschaft, der Hydrologie.

Universell und unverzichtbar

Sicher, die Flüssigkeit war für das Leben schon immer unverzichtbar, ist mittlerweile aber auch unabdingbar für unseren hohen Lebensstandard geworden. Wir brauchen es nicht nur zum Trinken, Kochen und Waschen, sondern auch für Ackerbau, Viehzucht, industrielle Produktion und sogar in der Medizintechnik – wie etwa als wasserbasiertes Gel beim Ultraschall. Darüber hinaus dient uns das Nass zum Spaß und zur Erholung. Von den römischen Dampfbädern über das japanische Onsen zum modernen Spa ist es trotz großer zeitlicher und örtlicher Entfernungen quasi ein kultureller Katzensprung. Das zeigt: Wasser fungiert als Basis und Inhalt von Kultur. Es ist ein universelles, prägendes Mittel. Eine Substanz unseres Werdens und Gestaltens.

Ewige Ressource mit endlicher Kraft

Es scheint, als könne man mit Wasser alles machen. Aber es lässt längst nicht alles mit sich machen – zumindest nicht ohne gravierende Konsequenzen. Die Wässerchen trüben sich allmählich: Wir verschmutzen ihre vielseitige Kraft mit unseren Abfällen aus Giftstoffen, Hormonen und Mikroplastik. Wir erhitzen es im Zuge des Klimawandels über die Maßen, sodass Naturräume unwiederbringlich verändert und Lebensräume vernichtet werden. Wir verdrängen es durch unnötige Abholzung, exzessive Landwirtschaft und Flächenversiegelung. So waren Spanien und Griechenland im Altertum zu weiten Teilen bewaldet, das Great Barrier Rief vor einigen Jahren noch bunt statt weiß – und vor der Bevölkerungsexplosion konnte man vermutlich aus vielen Flüssen noch trinken.

Warum in die Ferne schweifen?

In Anbetracht des Umgangs mit unserer Lebensgrundlage ist es geradezu absurd, dass die Menschheit mittlerweile auf anderen Planeten nach Wasser sucht und – wie auf dem Mars – sogar bereits fündig geworden ist. Natürlich bewegt uns das. Es ist fantastisch. Aber sollten wir vor dem Sternenstürmen nicht erst einmal versuchen, mit dem leben zu können, was wir haben? Wenn uns das nicht gelingt – was sollen wir denn dann da draußen, wo die Bedingungen fast überall viel schlechter sind als in unserem kleinen Paradies?

Es ist noch nicht zu spät. Noch existieren Zeugen aus einer sauberen Zeit, zum Beispiel Gletscher in Gebirgen, fossile Reservoire unter wüsten Landschaften – und ganz in unserer Nähe ein über Jahrtausende gefiltertes, stets nachlaufendes Tiefenwasser: das der Rheinsberger PreussenQuelle. All diese Botschafter sind Schätze und Denkansätze zugleich. Sie sagen uns, dass wir unsere Kultur erneut verändern müssen – im Dialog mit dem Nass des Lebens.

Der Weg zurück zum reinen Wasser

Diese Reise beginnt im Denken. Ohne zu handeln werden wir aber nicht vorankommen. Klar ist: Sparen allein hilft wenig. Wenngleich der Wasserverbrauch in Deutschland sinken mag, so sinkt die Wasserverschmutzung damit noch lange nicht. Denn H2O ist kein Gut, das sich verbraucht, sich erschöpft, sondern eines, das immer wieder in sich fließt. Unabhängig vom Bedarf kommt alles, was wir mit unserem Wasser tun, zu uns zurück. Was wir verändern, verändert uns selbst. Entscheidend ist also, wie wir damit umgehen.

So umfassend diese Überlegungen sein mögen, so weit die Reise gehen mag, so vielfältig sind auch die Ansatzpunkte einer Rückkehr zur Natürlichkeit des Wassers: Verbrauche ich insgesamt bewusster, so verschmutze ich weniger. Verändere ich meine Ansprüche, so vermeide ich unnötige, schädigende Einflüsse. Senke ich meinen CO2-Ausstoß, so kann ich zumindest ein Zeichen zur Verlangsamung des Klimawandels setzen – und damit auch für den Erhalt von Lebensräumen. Denn Wasser ist immer an Wärme gekoppelt, an Ökosysteme und Kreisläufe.

Wir müssen alles dafür tun

Man kann noch unendlich viele Gedanken fassen zum Universalgut unserer Erde; wie wir etwas dafür tun können, dass es uns weiter als sichere Lebensgrundlage zur Verfügung steht. Gedanken, die man sich machen muss. Und Gedanken, aus denen wir etwas machen müssen. Denn dazu sind wir jedem einzelnen Wasserstoffdioxid-Molekül in uns verpflichtet. Weil es uns möglich macht. Weil es Freiraum gibt, das Leben zu gestalten und Schönes zu erschaffen. Weil wir schlicht und einfach, ursprünglich und mehrheitlich aus Wasser sind. Für uns hat alles mit Wasser zu tun. Und deshalb sollten wir auch alles für unser gutes Wasser tun.




0 Kommentare




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*

*