Wenn etwas Unerwartetes, Bedrohliches passiert, dann gibt es für die Betroffenen sehr unterschiedliche Möglichkeiten, damit umzugehen. Man kann in Schockstarre verfallen. Oder schreien. Warten. Wegrennen. Oder weitermachen. Die letztere Variante ist sicherlich am interessantesten. Denn mit ihr stellt sich eine zentrale Frage: wie eigentlich?
Stellvertretend für viele andere haben wir mit drei unserer gastronomischen Partner* gesprochen, von denen jeder*s seinen* ganz eigenen Weg geht:
Dieser Beitrag ist als Inspiration, als Überzeugung und Support gedacht, nicht als bezahlte Werbung (unsere Partner haben hierfür lediglich Bildmaterial und Informationen beigesteuert, kein Geld). Denn ich finde: Wer es schwer hat und was draus macht, darf dafür auch ein paar Minuten im Scheinwerferlicht stehen. Außerdem stehen wir von der Preussenquelle wirklich sehr auf ihre unfassbar guten Speisen.
Alle drei Restaurants haben eine Transformation hinter sich: von der kunstvollen Oase des gehobenen Speisens zum gastronomisch-kulturellen Perspektivgeber*. Keines von ihnen hat seine Gerichte vorher außer Haus angeboten. Küche, Menü, Logistik – die gesamte gastronomische Apparatur musste neu gedacht werden.
Das, was normalerweise im schönen Ambiente frisch und direkt genossen wird, einfach in Plastiktüten bis an die Stadtgrenzen auszuliefern – das kam für niemanden infrage. Stattdessen haben sie versucht, ein gastronomisches Erlebnis umzudeuten, ohne allzu sehr an Anspruch zu verlieren.
Eine unverhandelbare Konstante: ihre jeweilige Philosophie. Und die möchten wir zunächst vorstellen. Das eins44 mit seiner produktfokussierten Exzellenz. Das Restaurant Richard mit seiner nahbaren Sterneküche. Und The Catch mit seiner außerhalb Japans wirklich seltenen, seriösen Sushi-Küche.
Ohne die DNA der Speiselokale zu kennen, lässt sich ihr jeweils anderer Umgang mit der Situation nämlich weniger leicht nachzuvollziehen. Also begeben wir uns auf Geschmacksreise:
Das Lokal bedient bewusst nicht die typisch neudeutsche Spitzengastronomie. Es ist weder über die Maßen cool, noch konservativ – sondern durchaus distinguiert, aber trotzdem nahbar. Auf der Karte findet sich immer nur ein (durchaus bezahlbares) Menü, bestehend aus 4 bis 8 Gängen. Oft sind das ursprünglich mediterrane Gerichte – mit einem künstlerischen Twist regional interpretiert. Denn der Inhaber ist selbst Maler und Koch. Seine Küche wird dabei vom italienischen Chef Francesco Contiero geleitet – und gestaltet.
Die Raffinesse von Contiero lässt sich vielleicht am besten anhand seines Signature-Dishs beschreiben: ein mit Gewürzen und Kräutern eingeriebener ganzer Sellerie, im Ofen durch Gemüse-Süßholz-Jus arrosiert, dann die Schale mit 2 cm Fleisch abgeschnitten und angerichtet – dazu Beurre Noisette. Klingt fast verschwindend, hat aber eine atemberaubende geschmackliche Tiefe, die ganz direkt an Schmorbraten erinnert – und an noch viel mehr.
„Als eines der wenigen Michelin-Restaurants in Berlin werden wir heutzutage wohl am ehesten mit der mediterranen Küche in Verbindung gebracht – trotz unserer klassisch-französischen Auffassung.“
Hans Richard, Inhaber des Restaurant Richard
Seit zwei Jahren wunderten sich Gäste unter den 5 Meter hohen Decken – von Kunstwerken umgeben – über die Genügsamkeit dieses elaborierten Gerichts. Oder über das Kalbsbries mit frischen Erbsen, Molke und einer Garnitur aus Räucheraal, Salzgurken, Karpern, Majoran, Brotbröseln … An der Stelle hören wir mal auf. Denn die Türen des Restaurants sind uns aktuell verschlossen. Gleichwohl: einige seiner Delikatessen temporär weiter zugänglich. Dazu aber gleich.
Zunächst zu etwas völlig anderem:
Wenn der Inhaber von The Catch über Sushi spricht, dann will er dem Begriff seine Ehre wiedergeben – zeigen, wie es wirklich schmeckt. Immerhin ist dieses minimalistische Gericht in den Mündern Europas schon fast zum Schimpfwort avanciert; es hat mit dem japanischen Original meist nur sehr wenig zu tun.
Ganz anders sieht es beim Angebot des gehobenen Charlottenburger Restaurants aus: eigens importierter, berauschend frischer Fisch aus nachhaltigem Fang und naturschonender Züchtung. Arrangiert als klassisches Sashimi, Nigiri, Chirashi-Sushi oder avantgardistisches Carpaccio mit Shiso und Trüffel-Ponzu. Bereichert um transformierte Gerichte wie etwa einen schottischen Lachs-Tartar oder das Gelbschwanzmakrelen-Cevice. Angeboten im Foodsharing-Kozept, bei dem die Gerichte in der Mitte des Tischs landen und von den Anwesenden gemeinsam verzehrt werden – wie in Japan eben.
Um eine authentische, Sushi-basierte Küche entwickeln zu können, hat sich der Gründer und Gastronom Alexander Slobine mehr als ein Jahr lang intensiv mit Fisch auseinandergesetzt, asiatische Partner*innen und Zweisterneköche wie Sergejs Siporov mit ins Boot geholt. Er selbst stammt aus Lettland, ist also mit dem Meer vertraut – und mit dem Konzept so erfolgreich, dass man* in der Rigaer Dependence von The Catch regelmäßig japanische Botschafter*innen dinieren sehen kann.
So viel kann ich persönlich dazu sagen: Meine Frau ist selbst Japanerin. Sie hat das probiert und dabei leise genickt. Heißt so viel wie: Oh ja, das schmeckt wie an der Küste von Izu.
„Wir sind wie ein modernes japanisches Izakaya, nur etwas feiner und mitten in Berlin. Ich sehe unsere Gerichte als Dialog zwischen der echten Küche Japans und einem anspruchsvollen, metropolitischen Publikum.“
Alexander Slobine, Inhaber von The Catch
Das Boutique-Restaurant selbst bringt alt- und neuberlinische Desingelemente mit japanischen Artefakten unter einem Dach zusammen. Straight. Cool. Izakaya-Style mit einem Touch Noblesse. Aufs Wesentliche reduziert. Und im Moment leider nur vom Personal zu betreten. Aber: The Catch hat sich mit Fahrzeugen aufgemacht, um die nächst gelegenen, heimischen Esstische zu erobern.
Und bevor wir mitfahren – lasst uns noch mal eben einen Blick in eine der köstlichsten Fabriketagen Berlins werfen:
Ein Hinterhof in Neukölln mit ungewöhnlichem Background: Wer sich für die Berliner Fine-Dining-Szene interessiert, hat sicher schon mal vom Reinstoff gehört. Dessen ehemaliger Gründer und Chefkoch ist der Sternekoch Daniel Achilles – heute Kreativpartner von Jonathan Kartenberg im eins44. Dieses Restaurant wiederum interpretiert Sterneküche nicht (wie das einstige Reinstoff) auf Molekularebene, sondern maximal unprätenziös:
Eingerichtet in den Betriebsräumen einer ehemaligen Essenzen-Destillerie, bringt es Industriecharme mit regionaler, deutscher Küche zusammen – auf höchstem Niveau allerdings. Denn es das Lokal hält unter anderem 15 Gault-Millau-Punkte.
Voll im Trend der Regionalität und Saisonalität widmet es sich dem Wesentlichen am Essen, in aller Ausführlichkeit. Wenige sehr ausgewählte und hervorragende Produkte werden raffiniert verarbeitet und miteinander neu arrangiert. Klingt einfach. Schmeckt es aber nicht. Die Komplexität speist sich aus der Qualität – und dem Unerwarteten.
„Bei uns findet Fine Dining mit Unterstatement statt: Dinge, die man kennt, aber nicht in der Kombination – und natürlich auf einem entsprechenden Level. Meine Küche ist leicht zu verstehen und trotzdem komplex. Produktfokussiert und zeitgemäß. High Class. Ganz direkt.“
Jonathan Kartenberg, Inhaber des eins44
Es geht augenscheinlich nicht um Opulenz, sondern vielleicht eher um die Wurzeln einer mitteleuropäischen Küche. Im Mund reichen sie dann aber bis in den Himmel. Was so unspektakulär klingt, entfaltet seine Wirkung überraschend und erst im Moment des Erkundens: Knollen-Ziest, Manchego, Quitte, Salbei. Zander, Steckrübe, Sanddorn. Schokolade, Bergamotte, Olivenöl. Und so weiter. Bis zum Beginn der Pandemie. Dann ändert sich auf einmal alles.
Kommen wir zum Wendepunkt: Zu Beginn der Pandemie waren alle überfordert, komplett blockiert, ans Nichtstunkönnen gefesselt. Einen Lieferservice aufzubauen? Logistisch schwierig – und in der Haute Cuisine kaum denkbar. Das Aparte des Restaurant Richard würde allzu schnell der Banalität anheimfallen. Sein kleines Team begann also damit, ein Mise-en-Place-Konzept zu entwickeln: weitgehend fertig gekochte Komponenten zum Abholen, die dann nach Anleitung des Chefkochs zuhause zusammengefügt werden müssen.
„Wir möchten unseren Gästen mit kleinen Mise-en-Place-Paketen à la Richard eine kulinarische Perspektive geben. Ein Blick aus der Einsamkeit in die Zukunft – zurück in ein voll besetztes Michelin-Restaurant.“
Hans Richard, Inhaber des Restaurant Richard
Das Menü wurde aufs Wesentliche reduziert – auch im Preis. Denn Hans Richard ist der Meinung, dass man für Speisen ohne Ambiente und Bedienung nicht einfach das Gleiche verlangen kann. Eine Frage der Ehre. Und allem Feedback nach honorieren das die Genießenden. Sie haben Spaß daran, die von Francesco Contiero kreierten Köstlichkeiten in der heimischen Küche anzurichten. Allerdings sind die Gerichte nur an ausgewählten Wochenenden zu haben. Kein Wunder, dass über Silvester weit mehr Bestellungen eingingen, als das Restaurant bewältigen konnte.
Die übrige Zeit nutzt das Team zur Kontemplation und Planung neuer, nachpandemischer Projekte. So viel sei verraten: Es könnten zusätzliche kulinarische Wege eingeschlagen werden. Bis dahin widmen wir uns dem Umgang mit Fisch in unserem nächsten Restaurant. Denn der ist ein völlig anderer:
Die japanische Küche lebt von der absoluten, kompromisslosen Frische. Ein Baukasten für zu Hause kam für Alexander Slobine kaum infrage. Also blieb eigentlich nur der Lieferservice. Doch auch dabei gilt: roher Fisch sollte nicht 45 Minuten durch die Gegend gefahren werden. Somit beschränkt sich The Catch in seiner Bringmobilität auf einen exklusiven Radius von 5 Kilometern. Wer weiter weg wohnt, hat erst einmal Pech gehabt – kann aber natürlich trotzdem vorbeikommen und sich die eleganten Meereskreationen selbst abholen.
Ferner hat sich die Pandemie aufs Sortiment ausgewirkt. Lieferketten sind dünner geworden. Mancher Fisch musste aus dem Programm genommen werden. Andere Gerichte – wie Tempura – verlieren schon nach 10 Minuten ihren Charme, weshalb sie aus dem Angebot fallen. Die Karte mussten Slobine und sein Team also auf 60 % des normalen Umfangs zusammenstreichen. Dafür sind besonders home-kompatible Gerichte hinzugekommen – beispielsweise die Chirashi- und Teriyaki-Bowl oder die Rindfleisch-Tataki-Rolle mit frischen Trüffeln.
„Unsere Gäste sind treue Kund*innen, die regelmäßig hier essen, feiern und auch jetzt bei The Catch bestellen. Ich habe noch nie etwas Schlechtes von ihnen gehört – nur, dass sie jetzt den direkten Kontakt zu uns vermissen. Das holen wir nach!“
Alexander Slobine, Inhaber von The Catch
Im Rahmen des ‚Notbetriebs‘ hat jede*r neue Rollen übernommen. So sind Restaurantmanager*innen oder Mitarbeiter*innen aus dem Service jetzt auf einmal Fahrer*innen. Denn das Ausliefern kann man nicht irgendjemandem überlassen. Die in recyclebarem Einweggeschirr drappierten Delikatessen müssen immer exzellent aussehen – vor allem so bei den Kund*innen ankommen. Das funktioniert. Und hilft. Und hellt den Alltag auf. Bis es dann wieder in gewohnter Weise weitergehen kann.
Was man mit einem geschlossenen Fine-Dining-Lokal noch so alles anstellen kann – etwas fundamental anderes – das zeigt uns Jonas Kartenberg:
Die Küche des eins44 hat sich tatsächlich einer kompletten Transformation hingegeben: In ihr wird seit Beginn des Jahres 2021 für die Speisekammer gekocht, nicht für den unmittelbaren Genuss. Ursprüngliche Gerichte wurden umgebaut, eingeweckt und werden nun in Gläsern über den Online-Shop „The Good Taste“ vertrieben. Man kann sie zu Hause aufbewahren, aufwärmen und so vornehm genießen, wie es einem eben beliebt.
Jonathan Kartenberg hat dieses Konzept komplett neu entwickelt und eine entsprechende Logistik aufgebaut – nicht nur für das eins44, sondern auch für sein zweites Restaurant Irma la Douce sowie für viele andere Lokale und Hersteller des gehobenen Niveaus, zum Beispiel Lubitsch, Sissi oder theNOname. Mit schon stolzen 50 Produkten sind sie gestartet. Mittlerweile ist das Sortiment auf etwa 300 angewachsen. Handgemachte Spitzenküche aus der Konserve. Von Meistern kreiert und hergestellt. Jederzeit verfügbar.
„Das Charmante an The Good Taste ist, dass wir damit verschiedene betroffene Akteure in einem Boot zusammenbringen konnten, die unter anderen Umständen eher konkurrieren. Sie kommen also gemeinsam zu den Kund*innen nach Hause: als kulinarische Botschaft.“
Jonathan Kartenberg, Inhaber des eins44 und des Irma la Douce
Auch Menüs bietet das eins44 weiter an, aber ebenfalls in quasi haltbarer Form. Die einzelnen Gänge sind dabei vakuumiert und mit einer ausführlichen Beschreibung versehen. In der eigenen Küche muss man sie dann behutsam im Wasserbad aufwärmen und gefühlvoll anrichten. Abholen? Ist nicht. Aber bleiben soll der Shop – in welcher Form auch immer – auch, wenn all die Lokale wieder öffnen. So wurde aus der Not etwas Neues geboren. Und die Berliner*innen sind eingeladen, das Genießen zu Hause neu zu erfinden.
Natürlich wird Fine Home-Dining nie an den Besuch eines ganz besonderen Restaurants heranreichen. Wie auch? Aber je mehr Mühe man* sich gibt, desto nahe liegender wird das Erlebnis sein. Was ich damit meine? Feines Geschirr. Dezente Deko. Raffinierte Beleuchtung. Angenehme Atmo. Eine gute Playlist. Und die Bereitschaft zum Theater: Bedient euch gegenseitig, wechselt die Rollen von Gast, Service und Küchenkraft. Seid fein zueinander. Und übt euch wie die Gastronom*innen in zuversichtlicher Flexibilität. Gegebenheiten mögen sich zeitweilig ändern. Der Hang zum Hedonismus? Lässt sich bestimmt nicht unterdrücken. Schon gar nicht von irgendwelchen Viren. Auf den Genuss!
Preussenquelle wird nicht nur von natur- und geschmacksbewussten Verbraucher*innen geschätzt, sondern auch von der gehobenen Gastronomie – in unserer Region. Aber warum? Das hat mehr als nachhaltige Gründe. Wir haben es vielfach von ihnen erfahren: Fine Dining setzt auf pures Erleben geschmacklicher Nuancen, auf komplexes Zusammenspiel hochwertigster Zutaten. Um dieses Theaterstück auf der Zunge zu unterstützen, nicht zu stören, braucht es ein möglichst neutrales Wasser. Dezent und ausgewogen. Weder salzig noch sauer. Weich und leicht, aber nicht gefällig, sondern straight und klar.
Es soll das einzelne kulinarische Ereignis nicht verfälschen, sondern abrunden und langsam ausklingen lassen, bevor die Gäste zum nächsten übergehen. Deshalb haben die guten Restaurants das Wasser der Pressenquelle im Angebot. Weil es eben über 1000 Jahre durch tiefe Gesteinsschichten wandert und dabei ganz natürlich, erstaunlich ausführlich gefiltert wird. Und so tragen auch wir unseren kleinen Teil zur wachsenden gastronomischen Kultur dieser Stadt bei.
Die hier erwähnten und beschriebenen Restaurants stehen beispielhaft für viele Speiselokale, die sich durch diese schweren Zeiten kämpfen – und die der nachpandemischen Epoche hoffnungsvoll entgegenblicken. Ich wünsche sowohl unseren geschäftlichen Kund*innen als auch allen anderen gastronomischen Betrieben das Allerbeste – für ihre eigene kulinarische Kultur, die wir hoffentlich bald wieder entdecken und genießen können.
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